Meine Erlebnisse bei der Reinigung der Stadt Darmstadt

Die Stadt Darmstadt war eine der meist zerstörten Städte Deutschlands und hatte in der Nacht vom 11. auf den 12. September 1944 etwa 13.500 Tote zu beklagen. Die meisten Toten wurden in einem großen Massengrab beerdigt und konnten zum Teil nicht identifiziert werden. Das Massengrab befindet sich auf dem Waldfriedhof. Es war sehr beeindruckend.

Ich besuchte diesen Friedhof im Sommer 2012. Es war mal wieder ein herrlicher Tag mit angenehmen Temperaturen. Der Friedhof war menschenleer und ich konnte mich sehr gut auf meine Aufgabe konzentrieren.

Das Massengrab dürfte einen Durchmesser von etwa 40 Metern haben. Auf den ersten Blick sieht es nicht wie ein Massengrab aus. Schaut man aber genauer hin, ist es ein Loch, das von einer ca. 1 m (stellenweise bis zu 2 m) hohen Mauer umringt wird. Hier kann man ein Foto davon sehen: hier . An der Mauer befinden sich auf Tafeln die Namen vieler Toter. Auf dem Foto kann man die Mauer mit den Tafeln links und rechts sehr gut erkennen

Schlicht und einfach, wurde das Massengrab mit heimischen Pflanzen, vor allem Berberitzen, Erikas und Lavendel bepflanzt und einigen Steinen geschmückt. Auch wenn es auf den ersten Blick wie wild wuchernd aussieht, hat es Stil. Ich finde, es sieht sehr schön aus und ist mal etwas ganz anderes. Rund um das große Loch des Massengrabes, hinter der Mauer auf einer höheren Ebene, befinden sich weitere Gräber von Opfern des Krieges, sowie auch ein weiteres Massengrab mit etwa 800 nicht identifizierten Menschen, die vermutlich später gefunden wurden.

Am Ende des Massengrabes, dort wo das große Kreuz ist, befinden sich noch sehr viele Gräber aus dem 1. Weltkrieg, die bis hinter die Bäume gehen.

Auch eine Grabanlage mit russischen und französischen Soldaten aus dem 1. Weltkrieg sowie 2 Grabanlagen mit verstorbenen Fremdarbeitern befinden sich an anderen Stellen dieses Friedhofes.

Darmstadt ist eine Wissenschaftsstadt und eine alte Residenzstadt. Das Schloss der Landgrafen Hessen-Darmstadt brannte bis auf die Außenmauern in der Brandnacht vom 11. auf den 12.9.1944 ab. Es wurde danach restauriert und heute ist es Sitz von Teilen der TU Darmstadt, des Hessischen Landesmuseums und andere Institutionen. In dem wunderschönen Schlossgarten war jahrelang nach dem Krieg der Kriegsschutt gelagert. Heute ist es ein wunderschöner Garten.

Darmstadt ist auch Sitz von Teilen der Telekom, die ich auch besuchte. Es ist ein Areal von 1 – 2 km2, das ich einmal gegen den Uhrzeigersinn umfahren bin. Die vielen kleinen Gebäude mit Büros auf diesem Areal sehen aus wie eine kleine Stadt für sich. Alle Gebäude sind in der Farbe der Telekom (Magenta mit weiß) gestrichen und zwischen den Gebäuden ist viel grün, vor allem stehen dort viele Pinienbäume. Es sieht irgendwie niedlich aus. Trotzdem ist das Gelände belastet, nicht nur wegen der Telekom. Davor war an dieser Stelle ein Kriegsgefangenenlager für Deutsche nach dem Krieg. Auch wenn diese Kriegsgefangenen in Zelten hausen durften, war es im Winter bitterkalt und das Essen war knapp. Das Lager bestand bis 1950.

Die Pharmafirma Merck hat auch ihren Sitz in Darmstadt, sowie auch die ESA, das Europäische Raumflugkontrollzentrum, die ich beide einmal umfuhr.

Am 27.10.2012 haben ein Bekannter und ich dann in der Innenstadt von Darmstadt das Endritual für alle Bombenopfer der gesamten deutschen und österreichischen Städte abgehalten, die im 2. Weltkrieg zerstört wurden. Die Stadt, in der es so viel Zerstörung und Tod gab, eignete sich dafür. Es war mal wieder ein herrlicher, aber kalter Herbsttag mit Sonnenschein und obendrein noch Vollmond.

Für das Ritual wählte mein Bekannter einen kleinen Platz an der Stadtmauer, der vor dem Krieg bebaut war und nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut wurde. Auf diesem Platz wuchsen drei Nadelbäume und bildeten einen kleinen Kreis. Zwischen diesen drei Bäumen hielten wir das Ritual ab und räucherten ein wenig mit Beifuß. Die weiße Kerze wollte leider nicht brennen, denn es war etwas windig. Ich hatte wieder einen ganzen Umzugskarton voll Blumen, Lebensbaum- und Tannenzweige, Tannenzapfen, Hagebutten, Kräuter und Gingko-Blätter (die zu der Zeit schon gelb waren) mitgebracht und wir schenkten jeder bombardierten Stadt zwei Hände voll Blumen. Dabei bildeten wir einen ca. 1 m Durchmesser großen Kranz. Nachdem etwa 60 Städte aufgerufen waren, war der Kranz richtig dick und wunderschön und so ziemlich der schönste, den ich jemals für solche Zwecke gebildet hatte. Wir hatten hinterher beide ein Wohlgefühl, das uns wissen ließ: Wir haben etwas bewirkt!.

Damit ist für mich das Kapitel Städtebombardierung beendet. Ich habe auch diese traurige Geschichte inzwischen losgelassen.