Meine Erlebnisse bei der Reinigung der Stadt Gießen und der Umgebung

Am 7.11.2014 fuhr ich einmal in die Universitätsstadt Gießen, eine kleine Studentenstadt. Meist ist so eine Uni belastet. Auch über den Seltersweg, die Fußgängerstraße, lief ich einmal und an der Lahn war ich auch. Ansonsten fand ich hier nichts Besonderes und fuhr weiter nach Lich, ins Kloster Arnsburg. Das war etwas für mich!

Das Kloster Arnsburg bei Lich

Es ist ein sehr altes Kloster, das teilweise verfallen ist. Man hat aber später etwas dazu gebaut, denn man erkennt Gebäude im Barockstiel, die sehr gut erhalten sind und teilweise auch bewohnt sind. Nicht weit weg fließt ein kleiner Fluß, die Wetter, daran vorbei. Der komplette Hof des alten Teils des Klosters ist ein Friedhof mit Kriegsgräbern. Es wirkte etwas unheimlich, aber doch sehr schön. Hier ein Foto:

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Es sollen 447 Gräber dort sein. Etwas mehr als ein Drittel waren Fremdarbeiter (Russen und Polen). Ca. 1/3 waren deutsche Soldaten, die aus Friedhöfen der Umgebung hierher umgebettet wurden, und der Rest waren 87 Menschen aus dem Arbeitserziehungslager Hirzenhain. Es war ein näher gelegenes Arbeitslager, in dem überwiegend Frauen, aber auch einige wenige Männer, während der Nationalsozialistischen Zeit umerzogen wurden. Darunter auch einige deutsche Frauen. Es waren „asoziale“ Menschen, oder Arbeitsunwillige, die zum Arbeiten nicht zu gebrauchen waren.

Was mit diesen 87 Menschen genau geschehen ist, kann ich nicht genau nachvollziehen. Diese Menschen wurden zuerst erschossen in einem Massengrab gefunden. Ohne Zweifel ein Verbrechen. In der Regel haben Nazis bei Auflösung von Arbeitslagern die Arbeiter (meist Fremdarbeiter, Kriegsgefangene und Juden) nicht hingerichtet, sondern woandershin hingehen lassen. Diese Verlegung, die recht unsanft gewesen sein soll, wird heute als „Vertuschung eines Verbrechens“ ausgelegt. Mir erscheint das sehr seltsam, denn wenn man ein Verbrechen vertuschen will, dann richtet man die Lagerinsassen hin und lässt sie in einem Massengrab verschwinden. Auch woanders und später können die nämlich noch aussagen. Diese Frauen wurden aber eindeutig hingerichtet. Irgendwie passt das alles nicht.

Wer mehr über das Kloster Arnsburg erfahren möchte, kann hier reinsehen: http://www.kloster-arnsburg.de/

Das erste Tor mit den Fenstern links und rechts, das man auf dem obigen Bild sieht, ist der Kapitelsaal des Klosters, den man dem Friedhof zum Gedenken überließ. Es war ein schöner, aber etwas unheimlicher Raum, denn er war leer und man hörte das Echo. Ich zog es aber vor, das Ritual draußen bei den Toten zu machen. Ich meine, die können mich dort besser wahrnehmen.

Ich hatte einen großen Karton voll Grünzeug dabei: Tannenzweige, Tannenzapfen, Gingko-Blätter, die zu dieser Jahreszeit gelb waren, Lebensbaum, Buxbaum, Hagebutten und viele violette Astern. Damit bildete ich einen großen Kranz, während ich alle aufrief. Es wurde ein schönes Ritual, obwohl dieses Mal, im November, die Sonne nicht schien und der gesamte Tag neblig war. Es war aber trocken und nicht so kalt.

Auf dem Gelände des Klosters findet man auch noch einen weiteren kleinen Friedhof. Dort sind einige Mönche beerdigt und auch Mitglieder der Familie Solms.

Die JVA in Butzbach

Am 4.4.2015 besuchte ich die JVA in dem kleinen Ort Butzbach. Es ist nicht so, dass ich JVAs gern ansehe; es ist aber ein belasteter Ort, vor allem wenn sie schon alt ist. Diese JVA wurde Ende 1800 erbaut und damals hat man noch hingerichtet. D.h. in diese JVA haben viele Hinrichtungen stattgefunden.

Bei Hinrichtungen denken Deutsche immer gleich an Nazis. Nazis haben auch hingerichtet, denn das war früher die höchste Strafe weltweit. Da war Deutschland kein Unikum. Und wir können froh sein, dass Deutschland die Todesstrafe schon 1948 abgeschafft hat, denn einige Länder wenden sie heute noch an. So z.B. die USA, unsere Freunde.

Soweit mir bekannt ist, haben die meisten Hinrichtungen in dieser JVA vor der Nazi-Zeit stattgefunden. Während der Nazi-Zeit wurden hier u.a. Widerstandskämpfer inhaftiert, aber hingerichtet wurde keiner. Und nach dem Krieg wurden hier einige Ärzte und medizinisches Personal inhaftiert, die für die Euthanasie verantwortlich waren. Dabei soll es Selbstmorde unter den Häftlingen gegeben haben.

Kein schönes Kapitel diese JVA. Sie hat aber nicht so viel Geschichte wie die in Frankfurt-Preungesheim. Der graue Kasten passt auch gar nicht in dieses niedliche Städtchen voll Fachwerkhäuser. Die Häuser grenzen ja direkt an den Mauern der JVA.

Ich kann für so ein graues Gebäude nicht viel machen. Ich bin es einmal gegen den Uhrzeigersinn umfahren. Das war ein kleines Kunststück, denn die Häuser grenzen ja daran. Ich habe dabei an alle Inhaftierten gedacht.

Die Kriegsgräberstätte in Niederweisel

In Butzbach gibt es einen Stadtteil Niederweisel. Etwas außerhalb dieses Stadtteils, an einem Acker, befindet sich eine große Kriegsgräberstätte. Hier haben 519 Tote des Zweiten Weltkrieges – 420 deutsche und 99 Kriegstote aus Polen und der Sowjetunion – ihre letzte Ruhe gefunden. Hauptsächlich waren es Soldaten, die bei Kämpfen zur Verteidigung von Hessen und Thüringen beim amerikanischen Vormarsch, in Lazaretten oder Kriegsgefangenschaft verstorben waren. Nachträglich wurden auch zivile Bombenopfer sowie polnische und sowjetische Fremdarbeiter der Stadt Friedberg hinzu gebettet.

In einem Teil des Friedhofs befinden sich die Gräber von sowjetischen Kriegsgefangenen. Unter den deutschen Soldaten befinden sich viele 17Jährige. Sie mussten zur Verteidigung Frankfurts aufbrechen.

Es war Vollmond und ein schöner, aber etwas unbeständiger April-Tag in 2015. Ich machte dort das übliche Ritual, dieses Mal mit viel Heidekraut, als mitten im Ritual ein großer, weißer Hund durch die Hecke die Kriegsgräberstätte betrat. Huch, wenn mich Hunde sehen, steuern sie meist freudig auf mich zu und den konnte ich mitten im Ritual gar nicht gebrauchen. Er kam auch schon auf mich zu, wurde aber gleich von seinem Besitzer zurückgepfiffen und er ging.

Ich genoss dort noch eine Weile die Stille des Friedhofs und des Ackers, als die Sonne wunderschön langsam unterging und den Friedhof noch einmal in Licht umhüllte. Ich hätte da noch lange bleiben können.