Der 30-Jährige Krieg (1618 – 1648)

Dieser Krieg, in dem (gleichzeitig mit vielen verschiedenen Pestepidemien) mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen (das ist in etwa das was man heute unter einem „vergrößerten Deutschland“ verstehen kann) größtenteils sehr qualvoll starb (zu Tode gefoltert, vergewaltigt, verbrannt, erstickt, verhungert, verschleppt etc.) war fürchterlich grausam und lang. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen ging zwar nur bis zur Oder-Neiße (d.h. Ost- und Westpreußen sowie Schlesien waren nicht eingeschlossen), umfasste jedoch (außer dem heutigen Deutschland) die Tschechei (Böhmen und Mähren), Österreich, Slowenien, Norditalien, Schweiz, Elsaß und Lothringen, Luxemburg, den größten Teil von Belgien und Holland. Die Hauptstadt war Aachen.

Eigentlich war es ein „Deutscher Krieg“ um Glauben, der in Prag begann. Protestanten hatten dort Rechte erworben, die ihnen wieder abgesprochen werden sollten. Langsam aber sicher breitete sich dieser Krieg durch fast das gesamte Reich und es mischten sich schnell andere Länder ein, in der Hoffnung, ein Stück von dem damaligen deutschen Reich abzubekommen. So die Dänen auf protestantischer Seite (die sich erhofften, einige Städte in Schleswig-Holstein zu behalten – es ist ihnen nicht gelungen), die Schweden auf protestantischer Seite und die sehr opportunistischen, streng katholischen Franzosen, die kein Problem damit hatten, auf protestantischer Seite zu kämpfen, weil sie sich damit einen Sieg erhofften.

Alle Parteien waren in diesem Krieg fürchterlich grausam. Wegen ihrer Grausamkeit wurden aber vor allem die katholischen Feldherren Tilly und Wallenstein bekannt. Alle anderen waren aber auch nicht viel besser. Sie zündeten Dörfer und Städte an, plünderten die Orte (vor allem die Bauern, von denen sie sich ernährten), töteten oder verschleppten die Männer um sie als Söldner einzuspannen, und die Frauen und Kinder für den Tross, ein Gefolge, das jedes Heer begleitete. Wenn sie kein Lösegeld für Frauen und Kinder bekamen, wurden sie als Prostituierte der Soldaten (die so ziemlich alle Söldner waren) genutzt. Nur wenige Städte konnten sich hinter der Stadtmauer retten, und immer wieder flammte die Pest auf.

Auf diese Weise wurden ganze Landstriche ganz oder teilweise entvölkert und viele kleinere Orte fielen wüst. Die Bevölkerung verhungerte teilweise und betrieb in ihrer Verzweiflung sogar Kannibalismus. Eine Stadt, die es ganz bös nach einem Überfall von Tilly traf, war Magdeburg (man suche mal nach „Magdeburger Hochzeit“). Nur wenige Einwohner dieser großen Stadt haben überlebt und einige wurden verschleppt.

Erst der Westfälische Frieden beendete diese Qual. Dadurch musste ganz Vorpommern neben der Insel Rügen und den Odermündungen, dazu das rechte Oderufer, die Stadt Wismar in Mecklenburg und die Bistümer Bremen und Verden an Schweden abgegeben werden und die Bistümer und Städte Metz, Toul und Verdun und das komplette Elsass und Lothringen bekamen die Franzosen. Brandenburg bekam Hinterpommern und die Niederlande wurde unabhängig. Es gab noch einige territoriale Veränderungen mehr.

Da es ein „Deutscher Krieg“ und ein Glaubenskrieg war, kann ich es nicht so recht verstehen, weswegen so viel Land an fremde Nationen abgegeben werden musste. Die Schweden bekamen sogar noch eine Entschädigung. Dabei hatte sie keiner gerufen. Alle Parteien waren aber kriegsmüde und unterzeichneten letztendlich den Vertrag.

Leider habe ich mich um diese vielen deutschen Kriege (außer den 2 Weltkriegen) noch gar nicht kümmern können. Ich werde es noch nachholen.

Es gab im 30-Jährigen-Krieg viele Schlachten. Eine geschah in der Nähe meines Wohnortes, und den habe ich einmal besucht und nach Spuren gesucht:

Die Schlacht bei Höchst im 30-jährigen Krieg:

Als ich mich in 2017 in die Geschichte des 30-jährigen Krieges reinkniete, stellte ich fest, dass bei Frankfurt-Höchst, gerade mal wenige Kilometer von meinem Wohnort entfernt, eine grausame Schlacht stattfand. Die Geschichte findet sich hier:

Auf der einen Seite waren die Protestanten unter Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein 22-Jähriger, der – wie so alle anderen Feldherren auch – plünderte, vergewaltigte, brandschatzte, anzündete und eine unglaubliche Gewalt hervorbrachte. Genannt wurde er „der tolle Christian“.

Während der Tolle Christian im Taunus weilte, schickte er einige Soldaten nach Höchst voraus, um anschießend die Stadt einzunehmen und über den Main weiter nach Darmstadt zu ziehen. Die Bürger und Kurmainzer von Höchst wehrten sich verzweifelt gegen die vorausgeschickten Braunschweiger. Nachdem sie ca. 100 Angreifer getötet hatten, gaben sie Höchst auf und flohen meist per Schiff nach Frankfurt und Mainz.

Das braunschweiger Heer unter dem tollen Christian, das im Taunus weilte, zerstörte Oberursel und kam dann nach Höchst nach. Dort schlugen sie die zurückgebliebenen Höchster nieder, plünderten und wendeten unglaubliche Gewalt an, um am nächsten Tag mainzische wie auch neutrale Dörfer auszuplündern und teilweise in Brand zu stecken. Dieses Schicksal erlitten Sulzbach, Eschborn und Nied am 9.6.1622. In Nied wurden die Bürger verschleppt und der Ort blieb fast entvölkert zurück.

Zu dem Zeitpunkt wusste der tolle Christian noch nicht, dass eine weitaus größere Armee unter dem katholischen Feldherren Tilly und dem spanischen Heerführer Cordoba sich von Frankfurt aus näherten und den Angriff auf Höchst befohlen hatten. Am 20.6.1622 gegen Mittag wurden die Braunschweiger durch die Kaiserlichen Katholiken bei Höchst überfallen. Die Schlacht dauerte 6 Stunden und letztendlich orderte Christian den Rückzug über den Main über eine provisorische Brücke aus Holz an, die seine Söldner davor gebaut hatten. Diese provisorische Brücke stand dort wo heute die Leuna-Brücke steht und die Flüchtenden kamen über die heutige Leuna-Straße, direkt am Haupteingangstor der ehemaligen Firma Hoechst vorbei. Die in Panik und Unordnung geratene Armee von Christian drängte sich auf die Behelfsbrücke. Das Gedränge war dabei so groß, dass viele versuchten, sich an anderen Stellen überzusetzen. Unwahrscheinlich viele ertranken dabei (angeblich mehr, als diejenigen, die bei der Schlacht umkamen), aber der tolle Christian schaffte es über den Main. Der Main ist an der Stelle ca. 100 m breit. Ich frage mich, ob die Söldner früher alle nicht schwimmen konnten. Die meisten braunschweiger Söldner blieben zurück. Flüchtend und verwirrt wurden sie von den Kaiserlichen unter Tilly und Cordoba verfolgt, niedergehauen und erschlagen, und viele Bauern halfen dabei.

File:Schlacht bei Hoechst 1622 unbekannt.jpg
Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4148682

Nach der Schlacht ließ Tilly Gefangene der Braunschweiger hinrichten, da sie die armen Frauen und die Kinder niedergehauen hatten und einen alten Pfaffen kastriert hatten. Auch auf den Feldern wurden Braunschweiger hingerichtet, die das Umland geplündert hatten. Im Städtlein Kronberg waren 65 Braunschweiger, die die Einwohner herausgeben mussten. Sie wurden auf dem Feld von dem kaiserlichen Kriegsvolk hingerichtet.

Frankfurt war mit Flüchtlingen überfüllt, da auch Tillys‘ Söldner etliche Dörfer um Frankfurt plünderten und niedermetzelten. So wurden Bad Soden und Schwalbach zerstört. Verwundete und Kranke kamen nach Frankfurt und infizierten die Stadt dermaßen, dass kurz darauf ein großes Sterben an der roten Ruhr und anderen Krankheiten erfolgte.

Am 9.6.2017 fuhr ich nach Höchst und stellte mich in die Mitte der Leunabrücke. Von dort aus hat man einen wunderschönen Blick auf die Altstadt von Höchst. Dort habe ich an alle Tote dieser Schlacht gedacht und ein Ritual ausgesprochen, in dem jede Gruppe (kaiserliche und braunschweiger Söldner und die Zivilisten von Höchst und dem Umland) ein Büschel Blumen und Kräuter bekam, die ich in von der Brücke in den Main warf.

Die Stadt Höchst hat eine fürchterlich negative Energie. Als der Wohnraum vor einigen Jahren in Frankfurt so teuer geworden ist, sind die ärmeren Menschen überwiegend nach Höchst gezogen. Aber auch davor war Höchst schon ein Problemviertel. Die wunderschöne Altstadt mit dem Schloss am Main stehen zwar noch, aber es ist alles ungepflegt und schmutzig und man sieht kaum noch deutsche Bevölkerung. Auf der Hauptstraße könnte man meinen, dass man im Orient ist.

Im Anschluss ging ich durch die Altstadt spazieren. Erst jetzt fiel mir auf, wie wunderschön sie eigentlich ist. Wenn alles so schmuddelig und negativ ist, fällt einem die Schönheit manchmal gar nicht auf. In Höchst beginnt ja die Deutsche Fachwerkstraße. Und erst jetzt fiel mir auf, dass Hoechst zwei Schlösser hat: Ein altes und ein neues, die gleich nebeneinander stehen. Die komplette Schlossanlage soll im 30-jährigen Krieg in Brand gesteckt worden sein. Im Schlossgarten stehen wunderschöne, sehr alte, große Bäume und auf dem Marktplatz steht eine riesig große Eiche, die einige hundert Jahre alt sein muss.

Danach ging ich noch an die Stelle, wo die Nidda in den Main fließt. Dort ist ein sehr schöner Park. Von dort kamen die Soldaten von Tilly und Cordoba, als sie über die Braunschweiger herfielen. Eine Straße an der Brücke über die Nidda in Nied nennt sich auch „Tillystraße“. Manchmal frage ich mich, wie man an so einen Haudegen wie Tilly mit Denkmälern und Straßennamen noch gedenken kann. Ich meine sogar, dass all diese Haudegen des 30-Jährigen Krieges alle wieder danach inkarniert sind, um in den vielen darauffolgenden Kriegen (einschl. den zwei Weltkriegen) zu lernen, friedlich zu sein. Vermutlich haben sie es bis heute nicht gelernt.

Nach der Schlacht und der Überquerung der Brücke soll Tilly ja ein Nickerchen unter einer Linde an dem Schwanheimer Ufer gemacht haben. Die Linde soll heute nicht mehr stehen; es wurde aber eine neue Linde an der Stelle nachgepflanzt. Diese Linde habe ich im Schwanheimer Dünengebiet (zwischen Schwanheim und dem Industriepark Höchst) gesucht. Es gibt dort nämlich einen Weg, der „An der Tillylinde“ heißt. Ich hab die Linde auch gefunden, und zwar in einem Hain direkt an der Fähre nach Höchst. Dort wuchsen Eichen, Ahornbäume, Birken und nur eine einzige große, sehr schöne Linde und rund um die Linde hatte man einen Erdhügel aufgebaut und mit Pflanzen bewachsen lassen. D.h. man hat die Linde, im Gegensatz zu allen anderen Bäumen, geehrt. Eine Tafel fand ich nicht. Dort hab ich auch ein wenig geräuchert.

Und dann war mein Tag in Höchst zu Ende und ein Gewitter kam auf, obwohl bis dahin etwas durchwachsenes, aber durchaus schönes Wetter war. Es donnerte und blitzte und es kam ein stürmischer Wind. Der Regen ließ nicht lange auf sich warten und es schüttete den gesamten Nachhauseweg. Wind und Wasser reinigen. War das ein Zufall?